Das International Press Institut (IPI), ein weltweites Netzwerk an Redakteuren, Medienvertretern und führenden Journalisten für Pressefreiheit, missbilligt die fast dreijährige Haftstrafe, zu der der Journalist Deniz Yücel in der Türkei unter dem Vorwurf der Terrorpropaganda verurteilt wurde.
Ein Gericht in Istanbul verurteilte Yücel, ehemaliger Türkei-Korrespondent für die deutsche Mediengesellschaft Die Welt, in Abwesenheit wegen „Propaganda für eine terroristische Organisation“ zu 2 Jahren, 9 Monaten und 22 Tagen Gefängnis. Yücel wurde in einer separaten Anklage von „Anstiftung zu Hass und Feindseligkeit“ freigesprochen.
Yücel wurde am 27. Februar 2017 verhaftet und anschließend in Untersuchungshaft genommen. Die Anschuldigungen beziehen sich auf mehrere Artikel, die er 2016 über die verbotene Kurdische Arbeiterpartei (PKK) und die von dem in den USA lebenden Geistlichen Fethullah Gülen angeführte Bewegung veröffentlichte, dem die türkische Regierung die Schuld für den gescheiterten Putschversuch am 15. Juli 2016 gibt.
Der stellvertretende Direktor IPIs, Scott Griffen, kritisierte das Urteil.
„Die Verurteilung von Deniz Yücel ist ein klarer Akt der Bestrafung für den kritischen Journalismus“, sagte Griffen. „Das heutige Urteil bildet den Abschluss eines verworrenen Scheinprozesses, in dem Yücels grundlegende Verfassungsrechte wiederholt verletzt wurden. Leider war Yücels Fall nur der jüngste in einer langen Reihe von politisch motivierten Verfolgungen von Journalisten in der Türkei, wo die Unterdrückung der Pressefreiheit unvermindert weitergeht.“
Die Anklage gegen Yücel wurde vom Generalstaatsanwalt Istanbuls erst fast ein Jahr später, am 13. Februar 2018, abgeschlossen. Die Staatsanwälte beantragten eine Gefängnisstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten bis zu 20 Jahren und 6 Monaten.
Yücel wurde kurz darauf, am 16. Februar 2018, nach einem Jahr hinter Gittern, von denen er 10 Monate in Isolation verbrachte, freigelassen. Am selben Tag seiner Freilassung verließ Yücel die Türkei. Von da wurde der Prozess gegen ihn in seiner Abwesenheit fortgeführt.
Am 28. Juni 2019 entschied das türkische Verfassungsgericht, dass Yücels „Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person“ und die „Meinungs- und Pressefreiheit“ verletzt worden waren. Darüber hinaus sprach ihm das Gericht 25K TL als moralische Entschädigung und 2K 700 TL für die Gerichtskosten zu.
Trotz des Urteils des Verfassungsgerichts legten die Staatsanwälte den Fall nicht zu den Akten. Der Staatsanwalt legte am 11. Februar 2020 seine Argumente zur Begründung des Falles vor und fügte der Anklageschrift hinzu, dass die angeblichen Verbrechen durch Presse und Rundfunk begangen wurden. Da sich die Anklage gegen Yücel nun leicht änderte, beantragten die Staatsanwälte von 2 Jahre 10 Monate 15 Tage bis zu 16 Jahre 1 Monat und 15 Tage Gefängnis. Die heutige Anhörung war die 9. in diesem Fall.
Neben dem Haupturteil hat das Hohe Strafgericht Istanbul 32 heute auch zusätzliche Anklagen gegen Yücel wegen „Beleidigung des Präsidenten“ & „Verunglimpfung der türkischen Nation“ gemäß Artikel 299 und Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches erhoben.
Aus dem Englischen von Julia Rieser übersetzt