Es war der 2. Oktober 2018. Es war ein gewöhnlicher Geschäftstag in Istanbul. Plötzlich klingelte mein Telefon, während ich an meinem Arbeitstisch im Büro der Zeitung Hürriyet saß, für die ich arbeitete, die einst als „Admiralsschiff der Medien“ bezeichnet wurde. Die Person auf der anderen Seite des Telefons erzählte mir, dass ein saudischer Journalist vermisst wurde, nachdem er das saudi-arabische Konsulat in Istanbul betreten hatte und dass es stundenlang keinerlei Nachrichten von ihm gab. Das war eines der merkwürdigsten Dinge, die ich je gehört habe. Am Ende des Tages war es eine diplomatische Mission, nicht wahr? Was hätte ihm passieren können?

Meinem journalistischen Impuls folgend, begab ich mich sofort zum saudi-arabischen Konsulatsgebäude, das sich im Istanbuler Stadtteil Levent befand. Natürlich ließen sie mich nicht hinein. Nach einer Weile begann wurde es eng vor der Eingangstüre. Türkische, arabische und westliche Journalisten verschiedener Medien versammelten sich vor dem Konsulat. Auch Khashoggis Verlobte, Hatice Cengiz, wartete dort ungeduldig. Ich sah Turan Kışlakçı, der Khashoggis Freund und Präsident der türkisch-arabischen Medienvereinigung war. Kışlakçı sagte mir: „Wir warten schon seit Stunden vor dem Konsulat. Wir folgen den Menschen, die hin und herauskommen. Khashoggi wurde nicht hinausgelassen, ich weiß nicht, ob es im Konsulat einen Tunnel gibt oder ob sie ihn aus einem Tunnel irgendwo anders hingebracht haben, aber wir sind zu 99 Prozent sicher, dass er im Konsulatsgebäude festgehalten wird“.

In den folgenden Tagen organisierten Journalisten und NGOs Proteste und Demonstrationen vor dem saudischen Konsulat, um sie dazu zu bringen, Khashoggi herauszulassen. Doch alle Bemühungen waren nutzlos, sie warteten vergeblich… Tatsache ist: Der Kolumnist der Washington Post, Jamal Khashoggi, betrat am 2. Oktober gegen 13.00 Uhr das saudische Konsulat in Istanbul, um Heiratsdokumente abzuholen und er würde nie wieder lebend gesehen werden.

Er wurde innerhalb des Konsulats zerstückelt

Es war sehr schwer zu glauben, aber sie hatten einen internationalen Journalisten innerhalb einer diplomatischen Vertretung inmitten Istanbuls im 21. Jahrhundert wortwörtlich vernichtet. Khashoggis Leiche wurde nie gefunden, weil, wie der türkische Staatsanwalt in der Anklageschrift ausführt, „die Leiche der ermordeten Person von den Tätern zerstückelt und aus dem Konsulatsgebäude gebracht worden war.“ (Es wurde in der Anklageschrift mehrmals erwähnt, dass Teile von Khashoggis Leiche in Plastiktüten zum Auto getragen wurden).

Die Ermordung von Khashoggi löste internationale Empörung und Wut aus. Die Enthüllungen mehrerer türkischer und amerikanischer Behörden brachten den Kronprinzen von Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman (bekannt unter den Initialen MBS), als Anstifter des Mordes an Khashoggi ins Spiel. Khashoggi war ein kritischer Gegner von MBS Politik im Königreich.

Seitdem sind ein Jahr und acht Monate vergangen. Wenn wir den Prozess in Saudi-Arabien nicht mitzählen, der von der UN-Sonderberichterstatterin Agnes Callamard (die eine Untersuchung zu Khashoggis Tod veranlasst hat) als „eine Verhöhnung der Gerechtigkeit“ bezeichnet wurde, begann der Mordprozess gegen Jamal Khashoggi am 3. Juli in Istanbul.

Der Prozess stieß bei den internationalen Medien auf großes Interesse. Ausländische Beobachter, darunter Callamard, waren ebenfalls vor Gericht anwesend, um die Verhandlung zu beobachten.

Die erste Person, die erschien und das Wort ergriff, war Khashoggis Verlobte, Hatice Cengiz, die als „Klägerin“ in den Fall verwickelt war. Cengiz sagte, sie habe etwa 3 bis 3,5 Stunden an der Eingangstür des Konsulats auf Khashoggi gewartet, nachdem er das Gebäude betreten hatte. Schließlich ging sie zur türkischen Polizei, die an der Konsulatstür wartete und sagte ihnen, dass Khashoggi nach 3,5 Stunden noch immer nicht herausgekommen sei. „Mir wurde klar, dass (die türkische Polizei) nichts über ihn wusste, also rief ich das Konsulat an. Die Person am Telefon fragte mich, wer anruft. Und ich antwortete: „Ich bin seine Verlobte.“ Die Person am Telefon sagte mir, dass Jamal gegangen sei und sie sagte mir auch, ich solle bleiben, wo ich war.“

„Sie baten mich, den Tandoor-Ofen zu entzünden“

Nach Cengiz sagten Khashoggis enger Freund und ehemaliger Abgeordneter der AK-Partei, Yasin Aktay, sowie Mitarbeiter des Konsulats, Fahrer des Generalkonsuls usw. aus.

Während seiner Zeugenaussage sagte der Fahrer des damaligen Generalkonsuls Mohammad al-Otaibi, Emrullah Öz, dass die saudischen Behörden im Konsulat ihm, anderen Fahrern und den Gärtnern gesagt hätten, am Tag der Ermordung Khashoggis nicht zur Residenz des Generalkonsuls zu fahren. „Sie sagten, dass Ingenieure an diesem Tag zur Residenz kommen würden und es daher nicht nötig sei, dass wir hingehen.

Die auffälligste unter all den Zeugenaussagen war die Aussage von Zeki Demir, einem technischen Mitarbeiter, der damals im saudischen Konsulat arbeitete:

„Ich saß in der Fahrerlounge des Konsulats. Dann klingelte mein Telefon, man sagte mir, dass die Ingenieure in der Residenz des Generalkonsuls seien und sie riefen mich an, damit ich zur Residenz fahre. Ich ging sofort hin. Da waren saudische Leute außerhalb des Konsulats. Sie wollten, dass ich den Tandoor-Ofen im Garten anzünde. Es herrschte eine panische Atmosphäre. Es sah aus, als wollten sie, dass ich sofort gehe. Ich zündete den Tandoor-Ofen an. Ich scherzte sogar, indem ich sagte: „Wenn du in diesen Tandoor-Ofen fällst, dann wirst du zu Kebab.“ Dann sagten sie mir: „Ok, du bist fertig, du kannst gehen“, und ich ging.“

Wurde sein Körper im Tandoor-Ofen verkohlt?

Zu diesem Zeitpunkt erinnerten sich die meisten Leute im Gerichtssaal an die Bilder, die 2018 enthüllt wurden, auf denen die Körperteile von Khashoggi zu Generalkonsul Al Otaibis Residenz in Koffern getragen wurden. In einem früheren Geheimdienstbericht, der von der türkischen Polizei verfasst und zu mehreren türkischen Zeitungen durchgesickert war, stand geschrieben, dass Khashoggi von einem saudischen Killerkommando bestehend aus 15 Personen getötet wurde, sein Leichnam von diesem Team zerstückelt und dann Teile seines Körpers in fünf verschiedene Koffer gepackt und mit einem Kleinbus zur Residenz des Generalkonsuls gebracht wurden.

Die Möglichkeit, dass Khashoggis Körperteile im Tandoor-Ofen verkohlt wurden, wurde offiziell in dem zuvor von der Istanbuler Polizei erstellten Polizeibericht erwähnt. Wenn das stimmt, dann wurde einer der brutalsten Morde in der zivilisierten Welt in einem vornehmen Viertel, mitten in einer der größten Metropolen der Welt, begangen.

Gleich neben der Residenz des saudischen Generalkonsuls in Levent gab es ein Nobel-Fleischrestaurant. Sich vorzustellen, dass die Körperteile eines Menschen in einer Tandoor nebenan verbrannt wurden, während die Kunden in diesem Nobelrestaurant in dieser Nobelgegend ihr Fleisch aßen, ist ein Szenario, an das man nicht einmal in den furchterregendsten Horrorfilmen denkt.

So unterstrich auch die UN-Berichterstatterin Agnes Callamard, die dem Prozess als internationale Beobachterin beiwohnte, das „Tandoor“-Detail in ihrer Pressemitteilung nach der ersten Anhörung des Prozesses. Obwohl diese Informationen in der Anklageschrift erwähnt wurden, war es für viele Menschen schockierend, dies aus erster Hand von den Aussagen der Prozesszeugen vor Gericht zu erfahren.
Sicherlich spielen auch regionale Konflikte und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Türkei und Saudi-Arabien wie die Katar-Krise, die Unterstützung verschiedener Seiten in Ägypten usw. eine Rolle dabei, dass die Türkei in diesem Mordfall voranschreitet. Aber als Kollegen von Khashoggi und Verfechter der Gerechtigkeit, so ist diese Seite des Mordfalls nicht unser Anliegen. Was uns interessiert, ist, dass die Wahrheit so schnell wie möglich ans Licht kommt und dass alle Verantwortlichen von unten bis oben identifiziert und bestraft werden. Man kann Khashoggis Ideen entweder teilen oder sich seinen Ideen gänzlich widersetzen, aber wenn wir uns selbst als die Verteidiger des Journalismus sehen, müssen wir uns für diesen Fall einsetzen. Um sicherzustellen, dass kein Staat mehr in der Lage sein wird, einen Journalisten ungehindert und auf diese Weise abzuschlachten.

Aus dem Englischen von Julia Rieser übersetzt

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