Das International Press Institute (IPI), ein globales Netzwerk an Redakteuren, Medienvertretern und führenden Journalisten für Medienfreiheit, verurteilte am 27. August eine Reihe von Angriffen auf lokale Journalisten und lokale Journalistenverbände in Antalya, Nevşehir und Bursa. Alle drei Städte liegen in der Türkei.

Am 19. August wurde Şaban Önen, der Herausgeber der Zeitung Karacabey Yörem, von zwei Geschäftsinhabern – von denen einer angeblich ein Verwandter des Karacabey-Bürgermeisters Ali Özkan von der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) ist – und zwei weiteren nicht identifizierten Personen in der LKW-Garage der Gemeinde angegriffen. Karacabey ist eine Kleinstadt mit rund 50.000 Einwohnern in der türkischen Provinz Bursa. Den lokalen Medien zufolge ist der Grund für den Angriff die von Karacabey Yörem veröffentlichten Informationen über den Bürgermeister.

Im Gespräch mit IPI sagte Önen, dass der Angriff möglicherweise als ein Akt der „Einschüchterung“ gedacht war. Önen wusste bereits vorher von den Angreifern und hatte zuvor Beschwerden eingereicht.

„Nicht nur im wirtschaftlichen Sinne ist es schwer, Journalist zu sein, die Intoleranz gegenüber dem, was wir tun, das Schlimmste. Niemand will kritisiert werden. Wenn man seine Arbeit tut, ohne über sensible Themen zu berichten, ist man nicht in Gefahr“, so Önen.

Er fügte hinzu: „Dieser Angriff richtet sich auch gegen die Öffentlichkeit. Denn wir tun unsere Arbeit, ohne irgendwelche Persönlichkeitsrechte zu verletzen, um sicherzustellen, dass unsere Gemeinschaft informiert wird. Aber dieser Angriff wird mich nicht entmutigen.“

Önen sagte, das Justizsystem müsse eine entscheidende Rolle spielen, um sicherzustellen, dass sich solche Angriffe nicht wiederholen.

Ein weiterer Angriff auf lokale Journalisten fand in Nevşehir statt, einer Stadt mit rund 100.000 Einwohnern in Zentralanatolien. Ein Fahrzeug der Journalistenvereinigung Nevşehir wurde am 25. August von mehreren Personen in Brand gesteckt. Zwei Verdächtige, die anhand der Sicherheitsaufzeichnungen identifiziert worden waren, wurden von der Polizei festgenommen. Die Ermittlungen laufen noch. Das Fahrzeug, das vor dem Gebäude der Vereinigung geparkt war, kann nicht mehr benutzt werden.

IPI sprach mit Bayram Ekici, Präsident der Journalistenvereinigung Nevşehir, über den Angriff. „Wenn Sie über die gute Arbeit der Regierung geschrieben haben, ist das Label wie folgt: Regierungsfreundlicher Journalist; wenn Sie die Regierung kritisiert haben: oppositioneller/heuchlerischer Journalist; wenn Sie neutral sind: dann werden Sie als formbar [anpassungsfähig an alle Regierungen] etikettiert“, sagte Ekici.

Er fügte hinzu: „Der Weg, die Meinungsfreiheit aus allen Teilen der Gesellschaft zusammenzutragen, damit die Demokratie richtig funktionieren kann, besteht darin, jene Hindernisse zu beseitigen, die einer korrekten Übermittlung der Nachrichten seitens der Behörden im Weg stehen und sie zu veröffentlichen. Der Journalist muss ohne berufliche Sorgen überleben“.

Am selben Tag feuerte eine Gruppe von Menschen Schüsse auf das Haus von Yakup Kocabaş, dem Gazipaşa Korrespondenten von Dim Media, einer Lokalzeitung mit Sitz in der Provinz Antalya. Gazipaşa ist eine kleine Stadt an der Mittelmeerküste, östlich von Antalya. Nach örtlichen Berichten eröffneten die Unbekannten aus einem Fahrzeug heraus das Feuer auf sein Haus. Niemand wurde bei dem Angriff verletzt. Kocabaş sagte in einem Interview, dass der Angriff mit seiner journalistischen Arbeit in Zusammenhang stehen könnte Er erwähnte auch, dass als Medienkanal über Menschen berichten, die illegale Aktivitäten betreiben und betonte, dass er trotz all dieses Drucks nicht nachgeben werde.

„In den Nachrichten, die wir in letzter Zeit gemacht haben, haben wir gegen diejenigen gekämpft, die dem Bezirk das Blut aussaugen und sich an illegalen Aktivitäten beteiligen. Mein Thema ist unser Bezirk und die Zukunft unseres Volkes“, erklärte er in dem Interview.

Die jüngste Zahl körperlicher Angriffe auf lokale Journalisten deutet auf ein beunruhigendes Muster hin. Erst vor wenigen Monaten, am 20. April, wurde ein bewaffneter Angriff auf die Lokalzeitung Ses in der Provinz Kocaeli verübt. Lokalen Berichten zufolge war der Angriff eine Reaktion auf die Berichterstattung von Ses, der einzigen kritischen Zeitung in der Region, die Themen, angefangen beim Coronavirus bis hin zu einem Amnestiegesetz zur Befreiung von Gefangenen inmitten der Ausbreitung des Virus, abdeckt. Laut IPIs COVID-19-press freedom -Tracker wurden die beiden Herausgeber und der Nachrichtenredakteur der Zeitung Ses kurzzeitig inhaftiert und, nachdem sie über lokale Coronavirus-Fälle in der Stadt berichtet hatten, freigelassen.

Der stellvertretende Direktor IPIs, Scott Griffen, sagte: „Was vom unabhängigen Lokaljournalismus in der Türkei übrig geblieben ist, steht bereits unter enormem politischen und finanziellen Druck, und diese jüngsten Angriffe tragen nur zu einem Klima der Einschüchterung bei. Lokaljournalisten sind besonders anfällig für Vergeltungsmaßnahmen seitens mächtiger Persönlichkeiten auf lokaler Ebene, die mit der Arbeit der Journalisten unzufrieden sind. Die Strafverfolgungsbehörden müssen alle derartigen Angriffe auf Journalisten sorgfältig untersuchen und alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, auch die Drahtzieher.“

Im Mai letzten Jahres berichtete IPI auch über mehrere körperliche Angriffe auf lokale Journalisten wegen ihrer Berichterstattung und sandte einen gemeinsamen offenen Brief an Präsident Erdoğan mit der Bitte, die Sicherheit der Journalisten zu gewährleisten. Einige dieser Angriffe standen in Zusammenhang mit Mitgliedern der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), die auf nationaler Ebene in einer Regierungskoalition mit der AKP steht.

Aus dem Englischen von Julia Rieser übersetzt